Wie rasch aus einer guten Idee ein weithin bekanntes Projekt werden kann, hat Gerhard Hanemann mit dem ART-Dorf Ötlingen bewiesen. Ötlingen ist bereits heute in Kunstkreisen in ganz Deutschland als das Dorf bekannt, das sich selber zur lebendigen Galerie erklärt hat. Ein Glücksfall für die Stadt Weil am Rhein, die neben dem weltweit populären Vitra Campus als Stadt der Stühle ja auch immer Wert auf seine künstlerischen Stärken gelegt hat. In der Umgebung von Basel mit der beispiellosen Zahl von 40 Museen und der bislang weltweit größten Kunstmesse ist es nicht einfach, weitere erfolgreiche Akzente zu setzen. Dem ART-Dorf Ötlingen ist dies eindrucksvoll gelungen. Kunst im öffentlichen Raum nicht nur als nachhaltiges Konzept mit Skulpturen auf Plätzen und in Kreisverkehrinseln zu verstehen, sondern als galeristisches Konzept im Einklang mit historischer Bausubstanz und einer einzigartigen Lage im Dreiländereck, das ist Gerhard Hanemann, dem Initiator dieses Kulturprojektes mit nachhaltiger Wirkung gelungen.
Das Dorf auf dem südwestlichsten Ausläufer der Schwarzwaldhöhen hatte ja in künstlerischer Hinsicht schon einiges zu bieten. Das Atelier des bekannten Malers Hermann Daur ist heute noch im Innenhof des Café Inka zu sehen; letzteres wiederum darf getrost als einer der kostbarsten Trouvaillen in der Kunstlandschaft der Region gelten. Denn das Tagescafé mit dem Tapeten-Panorama nach dem französischen Roman „Die Inkas oder die Zerstörung des Imperiums von Peru“ von Jean-François Marmontel, 1819 mit Bildfolgen auf 24 Bahnen in der Pariser Manufaktur Dufour & Leroy hergestellt, gilt weltweit als absolute Rarität. In Ötlingen gibt es Galerien von Stefan Winterle und Gerhard Hanemann und viele Künstler wie Christoph Meckel, Karl Rösch oder Hans Pfannmüller, die einige Lebensjahre in dem Dorf verbrachten und sich von der Ruhe und dem herrlichen Ausblick auf die Burgundische Pforte inspirieren ließen - oder heute noch der dänische Künstler Henrik Andersen. Ötlingen ist wegen seiner historischen Bausubstanz, der Aussicht auf die Schweiz und Frankreich, als Start und Ziel für Wanderungen, der historischen St. Gallus-Kirche und ihren klassischen Konzerten und mit seinen schönen Gasthäusern am Wochenende schon seit einiger Zeit zum Pilgerziel Erholung suchender Städter geworden. Seit das ART-Dorf als zusätzliche Attraktion wahrgenommen wird, kann man die Dorfstraße an manchen Sonntagen im Sommer kaum noch mit dem Auto benutzen.
Reizvoll an der öffentlichen Galerie der Hausmauern ist auch der Wandel und die selbstverständliche, lebendige Wechselbeziehung zwischen dem ausgestellten Bild und seiner natürlichen Umgebung. Immer wieder kommen neue Werke hinzu, werden Gärten mit Skulpturen bereichert oder neue Perspektiven gefunden. Manche Bilder erzählen Geschichten oder können als pointierte Kommentare ihrer neuen Umgebung verstanden werden. Manche fallen erst bei genauerer Betrachtung auf. Als ob sie schon immer ein natürlicher Teil ihrer neuen Umgebung gewesen wären. Dieses ständige Wechselspiel wird in einer herkömmlichen Galerie mit neutralem Hintergrund nicht so leicht ermöglicht. Es bezieht den Betrachter ein und ermöglicht Wahrnehmungen, die von Alltagserfahrungen abweichen. Damit ist das ART-Dorf weit entfernt davon, Kunst als pure Kosmetik zu missbrauchen. Denn der Anspruch liegt in der bewussten Erfahrung, in der Begegnung mit den künstlerischen Objekten und ihren Hintergründen. Wie eine gute Idee, deren Samen nicht nur am Ursprungsort aufgehen muss.
2005 brachte Gerhard Hanemann das erste großformatige Gemälde „Mutter mit Töchtern“ an der Hausfassade der Druckerei an. Im nächsten Jahr verbrachte er seinen Urlaub in dem italienischen Dörfchen „Casoli“ in den Abruzzen (in der Nähe von Pescara), wo wirkungsvolle Gemälde an Hausfassaden platziert sind. Die Idee der „ART-Dorf.de – Freilichtgalerie Ötlingen“ war entstanden.
Ende 2006 stellte er das Projekt wird den Behörden vor. Kulturamtsleiter Tonio Paßlick, Ortsvorsteher Werner Linder Jürgen Hitze von der Unteren Denkmalschutzbehörde bzw das Regierungspräsidium Freiburg unterstützten das Projekt.
Bereits im Oktober 2007 fand die erste Vernissage statt. Es nahmen 30 Künstler mit 23 Gemälden und sieben Skulpturen teil. Künstler aus der Schweiz, aus dem Markgräflerland bis Pforzheim warenvertreten.
Seit Juli 2009 wird jedes zweite Jahr ein „Tag der Kunst“ in Ötlingen gefeiert. Beim sechsten Tag der Kunst nahmen bereits 80 Künstlern mit etwa 100 Kunstwerken teil, darunter Gemälden, großformatig gedruckte Fotografien und Skulpturen aus Holz und Metall.
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